SPNV unter Druck

Als Aufgabenträger für den SPNV ist der NWL verantwortlich für die Planung, Organisation und Weiterentwicklung eines verlässlichen Nahverkehrsangebots auf der Schiene in Westfalen-Lippe. Damit wir dieser Verantwortung gerecht werden können, sind wir auf eine enge und funktionierende Zusammenarbeit mit unseren Partnern angewiesen – insbesondere mit der DB InfraGO, die für Bau, Betrieb und Instandhaltung der Schieneninfrastruktur zuständig ist.
Doch genau hier liegt derzeit ein akutes Problem: Die dringend notwendige Sanierung des Schienennetzes ist zweifellos eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In der Praxis jedoch führen massive Verzögerungen und Umplanungen seitens der DB InfraGO zunehmend dazu, dass wir unseren Auftrag nicht mehr erfüllen können. Die Umsetzung geplanter Maßnahmen stockt, Angebotsausweitungen geraten ins Wanken, der Verlust von Fördermitteln droht. Schon heute ist die Verlässlichkeit des SPNV für viele Fahrgäste ein täglicher Stresstest – ohne entschlossenes Gegensteuern wird sie weiter abnehmen. Damit steht das Vertrauen in den SPNV in unserer Region auf dem Spiel.
Uns in Westfalen-Lippe trifft dieses Problem ungleich härter: In Ballungsräumen stehen im Falle von Ausfällen oftmals alternative Linien oder Verkehrsmittel zur Verfügung, im ländlichen Raum ist das aufgrund der geringeren Netzdichte nicht gesichert. Zudem lag der Fokus der Sanierung in den letzten Jahrzehnten vornehmlich auf den Haupttrassen der DB, nicht auf den Trassen in unserem ländlichen Raum.
Aus diesem Grund wenden wir uns heute in aller Deutlichkeit an Sie: Wenn wir jetzt gemeinsam handeln, können wir die Ergebnisse jahrelanger Planungs- und Entwicklungsarbeit noch sichern – und die Zukunft des SPNV in Westfalen-Lippe nachhaltig stärken.
An einen Tisch kommen und Lösungen finden
Wir wollen darauf nicht nur hinweisen, sondern auch handeln: Ziel ist es, in den Dialog mit den handelnden Akteuren und politischen Entscheidern zu treten und gemeinsam darauf hinzuwirken, diesen Zustand zu verbessern. Wir brauchen eine bessere Synchronisierung von Maßnahmen, Priorisierungen und verlässliche Planungen mit ausreichend Vorlauf. Wir wollen, dass Verkehrsleistungen wie bestellt auf die Schiene gebracht werden können. Wir wollen die effiziente und zielgerichtete Verwendung von Steuergeldern sicherstellen. Und wir wollen Lösungen direkt umsetzen statt über bürokratische Umwege.
Wir als NWL bringen unsere Kompetenz und Erfahrung ein: Als Aufgabenträger kennen wir das Zusammenspiel aus Infrastruktur, Betrieb und politischen Vorgaben. Es gehört zu unserem Handwerk, mit unterschiedlichen Anforderungen und Playern umzugehen. Mit unserem Wissen können wir in der Gesamtplanung dazu beitragen, dass die richtigen Priorisierungen vorgenommen werden – wenn man uns in den Gesamtprozess einbindet.
Rahmenbedingungen verbessern – Ihre Unterstützung ist gefragt
Der NWL wird alles daransetzen, dass die Interessen der Region ernst genommen und bei der Realisierung berücksichtigt werden. Wir fordern verlässliche Planungen, koordinierte Bauabläufe und eine klare Priorisierung des Nahverkehrs als Teil der Daseinsvorsorge. Wir bringen Akteure an einen Tisch und machen den Handlungsdruck sichtbar – gegenüber Bund, Land, DB und Öffentlichkeit. Und dafür brauchen wir Ihre Unterstützung:
- Informieren Sie sich auf dieser Seite.
- Teilen Sie den Appell "SPNV unter Druck”.
- Registrieren Sie sich und fordern Sie auf, sich hier (www.nwl-info.de/spnv-unter-druck) zu registrieren. Über weitere Schritte und Aktionen werden Sie dann auf dem Laufenden gehalten.
Aktuelle Fälle und Projekte im Überblick
Die angeführten, exemplarischen Beispiele sind stellvertretend für einen flächendeckenden Handlungsbedarf zu sehen. Sie zeigen konkret, wo in Westfalen-Lippe Projekte ins Stocken geraten – und welche Auswirkungen dies auf Verlässlichkeit, Qualität und Zukunftsfähigkeit des Schienenpersonennahverkehrs hat.
Auf der Hellwegstrecke Hamm-Paderborn-Altenbeken waren für 2025 an acht Bahnhöfen Bauprojekte zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit geplant. Die Maßnahmen sind baureif und finanziert. Die beteiligten Kommunen haben Gelder für nötige Anschlussmaßnahmen in den Haushalt eingestellt. Für die Umsetzung sind Sperrpausen nötig, also Zeiten, in denen die Gleise nicht befahren werden, damit die Bauarbeiten durchgeführt werden können. Diese Sperrpausen sind nach Planungen der DB InfraGO mindestens für die nächsten vier (!) Jahre nicht möglich:
• 2025 wird die Strecke als Umleitung für den ICE Hamm-Bielefeld-Hannover und IC Berlin-Amsterdam genutzt.
• 2026 wird die Strecke Umleitung für den gesperrten Korridor Hagen-Köln.
• 2027 wird die Strecke Umleitung für gesperrte Strecken im Frankfurter Raum.
• 2028 soll die Strecke Umleitung für den dann gesperrten Korridor Hamm-Essen-Duisburg-Düsseldorf-Köln werden.
Die Folgen sind gravierend: Die Projekte kommen nicht voran, Kosten steigen, bewilligte Fördermittel auf Landes- und Bundesebene drohen zu verfallen – und wichtige Fortschritte bei Barrierefreiheit und Angebotsqualität werden ausgebremst oder zurückgeworfen.
Der Hauptbahnhof in Hamm soll umfassend modernisiert werden. Aufgrund der hohen Frequenz des „Bahnhofs der Zugteilung“, wie er den 30.000 täglichen Reisenden bekannt ist, ist die Planung der Modernisierungsmaßnahmen ohnehin schon ein komplexes Unterfangen.
Dementsprechend sollte der Bau und die Finanzierung in 3 Bauabschnitten erfolgen.
1. Bauabschnitt: Umsetzung über den RRX --> abgeschlossen
2. Bauabschnitt: Land NRW und DB InfraGO Personenbahnhöfe (Kostenschätzung: 17,9 Mio. €, davon ca. 10,3 Mio. € Land)
3. Bauabschnitt: NWL und DB InfraGO Personenbahnhöfe (Kostenschätzung: 23,4 Mio. €, davon 10,1 Mio. € NWL)
>> Gesamtkosten 2. und 3. Bauabschnitt: ca. 41,3 Mio. €
Der Baubeginn des 2. Abschnitts war ursprünglich für 2028 in mehreren Baustufen geplant:
• Bahnsteig 3. und 4. im ersten Halbjahr 2028
• Bahnsteig 2 im zweiten Halbjahr 2028
• 2029 ff. weitere Bahnsteige in Abstimmung
Aktuell ist diese Planung trotz vorheriger mündlicher Zusagen der DB InfoaGO in nicht mehr möglich, da die versprochenen Sperrpausen seitens DB abgesagt wurden und nun im Jahr 2029 neu angemeldet werden müssen. Der weitere Bauablauf ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar.
Die Folge: Aufgrund des hohen Komplexitätsgrades bei den Sperrpausen ist das Gesamtprojekt in Bezug auf Realisierung und Finanzierung gefährdet. Aufgrund der hohen verkehrlichen Bedeutung als Knotenpunkt benötigen wir hier eine verbindliche Zusage oder eine gesicherte Grundlage für die Planung.
Diese Maßnahme ist ein Bestandteil der Vereinbarung „Robustes Netz I NRW“, die im Jahr 2019 zwischen dem Land NRW, der DB und den SPNV-Aufgabenträgern getroffen wurde, um gezielt Engstellen im Schienennetz zu beseitigen und für mehr Fahrplanstabilität zu sorgen. Es sollen auch die Gütergleise für den SPNV nutzbar gemacht werden. Dazu werden in Gütersloh und in Isselhorst-Avenwedde neue Bahnsteige an diesen Gleisen gebaut werden und Weichenverbindungen zur Streckenverknüpfung zwischen Personen- und Güterbahn eingefügt werden.
Die Umsetzung dieser Maßnahme ist nicht nur für den Schienenpersonennahverkehr, sondern auch für den Fernverkehr von großem Interesse.
• Die Maßnahme befindet sich aktuell in der Vorplanung (Leistungsphase 2).
• Die DB hat extreme Kostensteigerungen angemeldet, da nun klar geworden sei, dass die Oberleitungsfelder im Maßnahmenbereich komplett neu aufgebaut werden müssten.
• Demzufolge ist die Realisierungswahrscheinlichkeit deutlich gesunken.
• Auf Anregung des NWL und des KCITF wird eine alternative Lösung geprüft, um die Kosten deutlich zu senken. Mit dem Prüfergebnis ist Ende 2025 zu rechnen.
• Auch das Ministerium ist bei diesem Thema mit eingestiegen und erzeugt aktuell zusätzlichen Druck auf die DB.
Ein Stillstand bei solch zentralen Vorhaben ist aus fachlicher und gesellschaftlicher Sicht nicht vertretbar, daher ist eine zuverlässige Aussage über die weitere Vorgehensweise für uns unerlässlich.
Interne Bürokratisierung der DB verhindert Fortschritt und pragmatische Lösungen
Zur Gesamtgemengelage der sich immer wieder verschiebenden Maßnahmen aufgrund von ausfallender Sperrpausen kommt ein weiteres, elementares Problem. Das bundesweit geltende Regelwerk der DB schränkt den Gestaltungsspielraum ein und verhindert oft pragmatische Lösungen vor Ort.
Selbst bei kleineren Maßnahmen schießen dadurch Aufwand, Kosten, Folgemaßnahmen und Zeitplanung häufig durch die Decke. Der Bund hat die Weichen bereits gestellt. Nun müssen Taten folgen. NWL nennt konkrete Beispiele und fordert:
Auch kleine Infrastrukturmaßnahmen wie Weicheneinbauten, Geschwindigkeitserhöhungen auf geraden Strecken und Anpassungen der Gleislage müssen häufig ein aufwändiges Planfeststellungsverfahren durchlaufen. Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren (Plangenehmigung) würde viel Zeit und Geld sparen.
Reaktivierungsprojekte, d. h. der Wiederaufbau noch gewidmeter Eisenbahnstrecken, werden planrechtlich als Neubau betrachtet. Die Folge: Bereits genehmigte Infrastruktur muss erneut ein komplexes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Die Reaktivierung bereits genehmigter Strecken sollte deshalb wie eine Sanierung behandelt werden. Auch hier ist mehr Tempo gefragt.
Selbst kleine, auf den ersten Blick überschaubare Infrastrukturmaßnahmen führen zu aufwendigen planerischen Anforderungen: Müssen z. B. Bahnsteige wegen neuer Fahrzeuge um wenige Meter verlängert werden, wird in der Regel für den gesamten Bahnsteig der planerische Bestandsschutz aufgehoben. Das bedeutet: Der gesamte Bahnsteig muss gemäß den neuesten Regelwerken neu geplant und angepasst werden. Aufwand, Zeitplan und Kosten stehen dann nicht mehr im Verhältnis.
Die DB legt bundesweit in einer Vielzahl eigener Regelwerke fest, was wie gebaut werden darf. Diese Regelungen sind häufig auf lokaler Ebene nicht sach- und budgetgerecht. Ein Beispiel: Nach Vorgaben der DB dürfen bundesweit keine Oberleitungsquerfelder mehr gebaut werden (platzsparende Aufhängungen von Oberleitungen über mehreren Gleisen ohne dazwischenliegende Masten). Deshalb verteuert sich aktuell ein Projekt auf der Strecke Hamm – Bielefeld aus dem Programm „Robustes Netz NRW“ erheblich. In der Folge droht die Umsetzung zu kippen, auch dies muss verhindert werden.
Kommt es in einem laufenden Planungsverfahren zu Änderungen von Gesetzen und DB-Regelwerken, muss die Planung immer wieder spontan angepasst werden. Grund ist, dass es keine Stichtagsregelung gibt, die Sach- und Rechtslage sowie den Stand der Technik für eine laufende Planung festschreiben. Das führt immer wieder zu immensen Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen. Um Verbindlichkeit zu schaffen, muss der zu Beginn der Planungen geltende Status maßgeblich sein.
Fernverkehr, Güterverkehr oder Nahverkehr? Bei der Förderung und Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen bezahlt in der Regel am meisten, wer am meisten davon profitiert. Darüber wird unter Zuschussgebern auf Bundes- oder Landesebene häufig politisch gestritten. Erschwerend hinzu kommt, dass nicht immer alle Fördermittelgeber auch gleichzeitig Mittel haben. Antragsfristen laufen ebenfalls unterschiedlich. Das macht die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen zu einem aufwändigen und nervenaufreibenden Projekt. Eine Bündelung und Standardisierung würde den Prozess vereinfachen und beschleunigen. Dies gilt es voranzutreiben.